Am 25. September 2021 erinnerten wir mit einer Tagung in Stollberg an das 70-jährige Bestehen des zentralen Frauengefängnisses der DDR. Dazu haben wir eine limitierte Gedenkschrift publiziert, die kostenfrei direkt beim Frauenforum bezogen werden kann oder hier zum Download erhältlich ist.
Neuigkeiten über die zukünftige Gedenkstätte Hoheneck: September 2022
Der Bau der Gedenkstätte Hoheneck und die inhaltliche und gestalterische Planung der Dauerausstellung gehen mittlerweile in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Frauen gut voran. Im September 2022 fanden zwei Treffen statt über die wir an dieser Stelle berichten möchten.
Brandschutz-Treffen
Am 1. September trafen sich unter Anwesenheit des Landrats Rico Anton, zuständige Vertreter des Landes Sachsen, der Stadt Stollberg, des Denkmalschutzes, des Bauplanungsbüros, des Interimsbüros sowie ein zusätzlicher Brandschutzexperte und natürlich die Opferverbände, um über einige den Brandschutz betreffende Aspekte zu beraten. Es ging in erster Linie um das bereits stark veränderte Treppenhaus des Südflügels, welches an den Westflügel anschließt. Konstanze Helber vom „Forum für politisch verfolgte und inhaftierte Frauen in der SBZ/SED-Diktatur e. V.“ (kurz: Frauenforum), verdeutlichte Landrat Rico Anton und den zuständigen Vertretern des Denkmalschutzes sehr eindrucksvoll, dass das Treppenhaus ein Ort der Grausamkeit war, indem die Insassinnen bis zur Erschöpfung auf- und abgehen oder stundenlang stehen mussten. Umso verständlicher war das Entsetzen über die bereits getätigten Baumaßnahmen, wie den abgeschlagenen Wandputz, den demontierten Handlauf und die Überziehung der originalen Stufen im gesamten Treppenhaus mit einem Betonüberzug. Ausgenommen davon waren nur der unterste Bereich zum Keller und der oberste Bereich zum Dachgeschoss.
Der Brandschutz eines von Besuchern frequentierten Gebäudes ist abhängig von den Personenströmen im möglichen Notfall. Die bisherige Bauplanung sah vor, dass das eben beschriebene Treppenhaus (1) und zusätzlich das offene Zellentreppenhaus (2) des Südflügels – der für die Führungen vorgesehen ist – als Fluchtwege genutzt werden. Dies wirkte sich zwangsläufig auf die Baumaßnahmen aus und hatte die bereits beschriebenen Umbauarbeiten im Treppenhaus 1 zur Folge. Das Zellentreppenhaus 2 musste auf Grund dieser Planung brandlastfrei sein. Das bedeutete allerdings, dass eine Ausstattung der begehbaren Südflügelzellen bspw. mit Matratzen und anderem Mobiliar nicht erlaubt wäre.
Dank des konstruktiven Treffens und des Verständnisses von Seiten des Landrats Rico Anton, den Vertretern der Denkmalschutzbehörde und der Bauplanung konnten gemeinsam vertretbare Lösungen gefunden werden. Die Baupläne werden bzgl. der Personenströme geändert, sodass das Zellentreppenhaus 2 nicht mehr als Fluchtweg eingeplant wird und die Zellen im Südflügel mit Matratzen u.a. ausgestattet werden können. Die Bauarbeiten im Treppenhaus 1 können nicht rückgängig gemacht werden – hier ist sozusagen das Kind in den Brunnen gefallen – wenn der Beton runtergerissen werden würde, wäre auch die Bausubstanz der Stufen so gut wie weg. Insofern konnte hier nur ein Kompromiss gefunden werden, der vorsieht zumindest den Wandputz und den Handlauf/Geländer in seinem alten Aussehen wieder herzustellen und die noch nicht davon berührten untersten und obersten Stufenbereiche im Originalzustand zu belassen.
Das Interimsbüro mit Prof. Stephan Appelius und Elke Kühns lud zum 26. September zu einer weiteren Informationsveranstaltung zur geplanten Dauerausstellung in der Gedenkstätte im Großen Sitzungssaal des Rathauses Stollberg ein. Der Oberbürgermeister Marcel Schmidt ließ sich für die Veranstaltung entschuldigen und ließ Grüße an alle 26 Anwesenden und an die online zugeschalteten Teilnehmer ausrichten.
Anwesend waren von den Opferverbänden das „Forum für politisch verfolgte und inhaftierte Frauen der SBZ/SED-Diktatur e.V.“ mit Konstanze Helber als Bundesvorsitzende, der „Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen e.V.“ mit Regina Labahn als Vorsitzende, die UOKG e.V. mit Sandra Czech und viele weitere ehemalige Inhaftierte. Von Seiten der Stadt Stollberg waren die Amtsleiterin der Stadtverwaltung Frau Kägebein, Mitarbeiter der Stadtverwaltung Stollberg, Gunter Weissbach vom Stadtrat Stollberg (vielen als Referent bekannt), die Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Dr. Nancy Aris, Herr Härtig vom Land Sachsen und Frau Ulrike Abraham von der sächsischen Zeitung Freie Presse.
Die geplante Dauerausstellung in der zukünftigen Gedenkstätte Hoheneck wurde von Prof. Appelius inhaltlich erläutert.
Die Ausstellung erinnert an die Schicksale der Frauen, an die deutsch-deutsche Teilung und die Folgen bis zur Wiedervereinigung im Jahre 1990. Die Gedenkstätte ist ein Ort mit Potenzial für spätere Sonderausstellungen, in der einzelne Aspekte ausführlicher dargestellt werden können. Die Exponate und Erklärungen erzählen die Geschichte der inhaftierten Frauen und des Ortes zwischen 1945 und 1990. Die Historie wird an Hand vieler Zeitzeugen sichtbar gemacht und lassen die Geschichte lebendig werden. So entsteht neben den wissenschaftlichen Ausführungen ein originales Bild der dramatischen Ereignisse jener Zeit.
Inzwischen sind 75 Prozent des Inhalts für die Dauerausstellung konzipiert. Die Dauerausstellung wird in 7 Räume mit 28 Stationen unterteilt. Zu jeder Station wird ein Drehbuch geschrieben. Es gibt Audiopassagen von Zeitzeugen im O-Ton, aber auch von professionellen Audiosprechern, die aus den Niederschriften der Zeitzeugen entnommen werden.
Die Stationen einzeln aufzuführen und zu beschreiben wäre zu lang. Deshalb hier eine Auswahl der genannten 28 Stationen:
Eingang
Die Orientierungszone befindet sich im Fahrstuhlbereich/Eingangsbereich. Man kommt aus dem Fahrstuhl, die Tür öffnet sich und der Blick fällt auf ein sehr großes, schwarz-weißes Foto von Hoheneck aus dem Jahr 1989. Es wurde von einem Stollberger Fotografen aufgenommen, der bis 1948 als Wachmann im Gefängnis Hoheneck gearbeitet hatte, aber dann von den Russen entfernt wurde, weil er nicht in die SED eintreten wollte.
Zusätzlich wird ein Leitspruch für die Jahre 1945 - 1989 auf der Wand zu sehen sein:
„Man hat mir etwas genommen, was man mir nicht zurückgeben kann: Ich traue den Menschen alles Unmenschliche zu“
Raum 2
Hier beginnt man mit einem emotionalen Einstieg. Es wird die Wasserzelle thematisiert und eine professionelle Sprecherin gibt die Aussagen von drei Betroffenen (§249 und 2mal §213) wieder. Die Wasserzelle wurde von Juni 1973 bis März 1976 genutzt. Die Gestaltung wird an den Stand der Wasserzelle vom Sommer 1975 angepasst: eine hochgeklappte Holzpritsche und ein Kübel für die Notdurft. Zusätzlich wird ausgeführt, dass es im Keller von 1973 bis Ende 1975 zwei zusätzliche Arresträume gab, davon eine Wasserzelle. In dieser Zeit der höchsten Überbelegung gab es einen mehrfachen Wechsel des Gefängnisdirektors und chaotische Zustände. Alles ist überprüfbar.
Station 2 thematisiert die Männer von 1945 – 1949 anhand eines Zeitzeugen. Ein 18jähriger Lehrling verstarb auf Grund der katastrophalen Haftbedingungen, wie Hunger, Kälte und schlechter Hygiene. Es existiert ein Brief an seine Eltern, in dem er ganz genau die Haftbedingungen beschreibt. Ein professioneller Sprecher wird diese Geschichte erzählen.
Station 3 thematisiert generell die Unmenschlichkeit, die in Hoheneck an der Tagesordnung war. Hier berichten die Zeitzeugen selbst und die Aussagen werden mit Fotos und Büchern ergänzt.
Station 4 hat den Funken der Rebellion zum Thema. Hier berichten Frauen, wie sie sich ab Anfang 1988 auflehnten, Jahrzehnte nach dem Aufstand der SMT-Frauen 1953.
Die Station 5 ist ein multimedialer Erinnerungsort mit Informationen von 1945 bis 1989. Es wird eine Auswahl von Frauen anhand von Fotos und persönlichen Informationen aus den zentralen vier Dekaden portraitiert, über einen alten Diaprojektor, der auf einem Holzgerüst steht. Jeweils 5 Frauen stehen für eine Dekade: Für die 50er Jahre – 5 SMT-Frauen, für die 60er werden noch Namensvorschläge angenommen, für die 70er Jahre – 4 Frauen (1 noch offen) und für die 80er Jahre.
Raum 3
Hier befindet sich der analytische Einstieg. An den Stationen 8 bis 13 werden die chronologischen Phasen der Nutzung dargestellt: Königlich Sächsisches Weiberzuchthaus Geschichte zum Gefängnis von 1864 - 1918, Nationalsozialismus, §175 Homosexualität, Anfang der 50er Jahre bis 1989. Ein interaktives Modell von Hoheneck mit dem Stand 1988/89 wird diesen Bereich ergänzen.
Raum 4
In diesem Bereich werden die unterschiedlichen Haftgründe näher beleuchtet. Die Stationen 13 bis 18 sind thematisch unterteilt in:
Raum 5
Das Haftregime wird anhand der Stationen 19 bis 23 dargestellt. Es werden folgende Themen aufgegriffen:
Raum 7
Anhand der Stationen 27 und 28 wird die Wende- und Umbruchszeit dargestellt unter dem Motto: „Ein neues Kapitel“. Folgende Sachverhalte werden angesprochen:
Über 2,5 Stunden hat Prof. Appelius ausführlich über die inhaltliche Gestaltung der Dauerausstellung referiert. Für die Gestaltung der Orte und Räume wird im Januar 2023 mit der Agentur KOCMOC die Arbeit aufgenommen. Für Fragen und Diskussion war leider nicht mehr viel Zeit übrig, hatte man die Veranstaltung doch bereits um eine Stunde überzogen. Aber für Mitte Dezember 2022 ist ein nächstes Informationstreffen anberaumt und es wird Zeit für Fragen und Diskussion großzügig eingeplant. Die Informationen und Einladungen werden rechtzeitig über das Interimsbüro Gedenkstätte Hoheneck verschickt.
Wir bedanken uns für die Benutzung des Sitzungssaals im Rathaus der Stadt Stollberg, für die Technik zur Onlinezuschaltung und für die vielen Informationen, die Prof. Appelius dem interessierten Publikum vermittelte.
Die Dauerausstellung der Gedenkstätte Hoheneck soll Ende 2023 eröffnet werden und der Eintritt wird für ehemalige Hoheneck-Inhaftierte kostenfrei sein.
Wir hoffen auf einen guten Verlauf bei der Errichtung der Gedenkstätte, insbesondere bei den weiteren Baumaßnahmen im Zellenhaus, um das Zellenhaus herum und die Sanierung des Ostflügels, wo sich die Schleuse (Ankunft der Häftlinge) und das MfS befanden.
(Autorinnen: Konstanze Helber, Sandra Czech und Karin Leberwurst / Edit: Birgit Schlicke)
Aktuelle Informationen zum Stand der Gedenkstätte erhalten Sie beim Interimsbüro in Stollberg: